Vorsatzanfechtung: Anforderungen an eine Liquiditätsunterdeckung beim Schuldner als Anzeichen für Gläubigerbenachteiligungsvorsatz

Geld zurück trotz erbrachter Leistung wegen zu hoher Deckungslücke des Schuldners. Aber wann?

Wieder einmal hat der BGH seine Rechtsprechung zur Vorsatzanfechtung nach § 133 InsO in seiner Entscheidung von April 2024 (BGH, Urteil v. 18. April 2024 – IX ZR 239/22) weiter ausdifferenziert. Die Kernfrage des Rückzahlungsbegehrens des Insolvenzverwalters* lautete wie so oft: Hat der Schuldner mit dem Vorsatz gehandelt, seine Gläubiger zu benachteiligen?

In diesem Beitrag geben wir Ihnen die Hintergrundinformationen und erklären, was es nach der neuesten Rechtsprechung in Bezug auf eine bestehende Deckungslücke bezüglich der Liquidität zu beachten gibt.

Insolvenzverwalter verlangt Gebührenzahlung trotz erbrachter Leistung zurück (BGH, Urteil vom 18. April 2024 – IX ZR 239/22)

In dem BGH-Urteil ging es um ein Luftfahrtunternehmen in schweren finanziellen Turbulenzen, welches die Eröffnung des Insolvenzverfahrens beantragte. Nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens im Jahr 2016 wollte sich der Insolvenzverwalter nun die für August bis November 2014 gezahlten Luftsicherheitsgebühren von der Bundesrepublik wieder im Wege der Vorsatzanfechtung nach § 133 InsO „zurückholen“.

Hintergrund dieser Zahlungen war, dass bei jedem Flug Passagiere und ihr Gepäck von Bundespolizeibeamten durchsucht werden mussten, wofür nach dem Luftsicherheitsgesetz Gebühren erhoben werden. Die Schuldnerin leistete die Zahlungen trotz Kenntnis ihrer eingetretenen Zahlungsunfähigkeit. Zudem hatte sie Schulden in einer beträchtlichen Höhe im sechsstelligen Bereich.

Kein Gläubigerbenachteiligungsvorsatz allein bei erkannter Zahlungsunfähigkeit

Den Anspruch lehnte der BGH jedoch mangels Gläubigerbenachteiligungsvorsatzes ab. Zum einen, weil der Schluss von der erkannten Zahlungsunfähigkeit auf den Gläubigerbenachteiligungsvorsatz nicht (mehr) zulässig ist. Bis zu seiner Entscheidung im Mai 2021 (BGH, Urteil v. 6. Mai 2021 – IX ZR 72/20) ließ der BGH noch den Rückschluss von der erkannten Zahlungsunfähigkeit auf den Gläubigerbenachteiligungsvorsatz ausreichen.

Seit Mai 2021 ist dieser Rückschluss jedoch nicht mehr zulässig. Maßgeblich kommt es darauf an, ob der Schuldner wusste oder jedenfalls billigend in Kauf nahm, seine anderen Gläubiger auch zu einem späteren Zeitpunkt nicht vollständig befriedigen zu können. Dafür müssen nach dem BGH nunmehr weitere Umstände hinzutreten als die bloß erkannte Zahlungsunfähigkeit. Diese Umstände müssen mit hinreichender Gewissheit darauf schließen lassen, dass für den Schuldner keine realistische Aussicht bestand, dass seine Gläubiger noch vollständig ihr Geld wieder zurückerhalten werden.

Eine erhebliche Deckungslücke kann allerdings die Annahme des Gläubigerbenachteiligungsvorsatzes rechtfertigen

Als solcher hinzutretender Umstand zur Feststellung des Gläubigerbenachteiligungsvorsatzes kommt aber eine erhebliche Deckungslücke in Frage. Das heißt, die Lücke zwischen liquidem Vermögen und den Schulden kann bei der Frage des Gläubigerbenachteiligungsvorsatzes herangezogen werden. Dafür muss allerdings die Deckungslücke ein bestimmtes Ausmaß erreichen, das eine vollständige Begleichung aller Verbindlichkeiten nicht erwarten lässt. Anhand der festgestellten Deckungslücke ist also die Frage zu stellen, ob eine realistische Chance bestand, dass die Verbindlichkeiten zukünftig voll befriedigt werden können.

Für die Feststellung der Höhe der Deckungslücke bedarf es nach dem BGH der Erstellung einer Liquiditätsbilanz. Dementsprechend hätte der Insolvenzverwalter nach den Grundsätzen zur Feststellung der Zahlungsunfähigkeit anhand einer Liquiditätsbilanz, den Verbindlichkeiten das liquide Vermögen des Schuldners gegenüberstellen müssen, um die Deckungslücke festzustellen. Wie groß die Deckungslücke sein muss, lässt sich dem Urteil nicht genau entnehmen. Jedenfalls aber bedarf es auf dieser Grundlage einer Prognose, wie sich die Befriedigungsaussichten darstellen. Dabei ist laut BGH

die bei optimistischer Betrachtung erwartbare Entwicklung der Vermögenslage in den Blick zu nehmen und zu berücksichtigen, dass insbesondere Gläubiger hoher Forderungen nicht selten zu Zugeständnissen bereit sind.

Um den Vortrag des Insolvenzverwalters in einem künftigen Fall nachprüfen zu können, könnte der Anfechtungsgegner verlangen, dass ihm der Verwalter Einsicht in die Geschäftsunterlagen gewährt. Insgesamt stellt dieser Ansatz der Deckungslücke und des Prognoseelements ein durch diese Entscheidung eingeführtes, grundlegendes Novum dar.

Das Vorliegen beträchtlicher Verbindlichkeiten allein reicht für einen Gläubigerbenachteiligungsvorsatz (grundsätzlich) nicht aus

Allein auf bestehende Schulden zu verweisen, reicht nach dem BGH grundsätzlich nicht aus, um einen Gläubigerbenachteiligungsvorsatz anzunehmen. Etwas anderes soll dann gelten, wenn in Anbetracht der Höhe der Verbindlichkeiten selbst bei optimistischer Betrachtung ohne jeden Zweifel klar ist, dass diese nicht beglichen werden können. Insbesondere etwa, weil die Höhe der Verbindlichkeiten zu einem wirtschaftlichen Zusammenbruch des Schuldners führen würde. Das konnte jedoch nicht festgestellt werden.

Sowohl bei den Anforderungen an die Höhe der Verbindlichkeiten als auch bei dem Erfordernis der Liquiditätsbilanz und einer entsprechenden Befriedigungsprognose handelt es sich letztlich um eine Fortsetzung und Konkretisierung der strengeren Mai-2021-Rechtsprechung für kongruente Deckungen. Würde es ausreichen, dass man bloß auf die nicht gezahlten Verbindlichkeiten abstellt, die zur Annahme der Zahlungseinstellung geführt haben, dann würde letztlich wieder nur die Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit ausreichen. Dann aber wäre der Schluss von der Zahlungsunfähigkeit auf den Gläubigerbenachteiligungsvorsatz wieder durch die Hintertür eingeführt. Dementsprechend muss bei alleiniger Betrachtung von Verbindlichkeiten offensichtlich sein, dass das Vermögen nicht zur künftigen Befriedigung der Gläubiger ausreichen wird. Alternativ muss in aufwendiger Weise die angesprochene Liquiditätsbilanz aufgestellt und abgeschätzt werden.

Berufungsgericht hat die Vermutung einer Kenntnis des Gläubigerbenachteiligungsvorsatzes nach § 133 Abs. 1 S. 2 InsO fehlerhaft angenommen

Nach § 133 Abs. 1 S. 2 InsO wird vermutet, dass der Gläubiger den Benachteiligungsvorsatz des Schuldners kannte, wenn er wusste, dass die Zahlungsunfähigkeit des Schuldners drohte und dass die Rechtshandlung die Gläubiger benachteiligte. Allerdings fehlte es vorliegend an der Feststellung der Kenntnis des Gläubigers hinsichtlich der Zahlungsunfähigkeit. Zahlungsverzögerungen reichen nach dem BGH alleine nicht aus. Vielmehr müssen Umstände hinzutreten, die dafür sprechen, dass die Zahlungsverzögerung auf der fehlenden Liquidität beruht. So kann dies der Fall sein, wenn Forderungen nicht beglichen werden, die zur Aufrechterhaltung des Betriebes erforderlich sind. Maßstab ist hierbei, dass die zusätzlichen Umstände ein Gewicht erreichen, das der Erklärung des Schuldners entspricht, aus Mangel an liquiden Mitteln nicht zahlen zu können. Das Berufungsgericht konnte sich zwar im Rahmen der schuldnerseits erkannten Zahlungsunfähigkeit auf eine Erklärung gegenüber der Flugsicherungsbehörde stützen und hieraus die Zahlungseinstellung ableiten. Wegen der Luftsicherheitsgebührenforderung gab es jedoch keine derartige Feststellung: Es fehlte folglich aus Sicht der Beklagten an Umständen, die zusätzlich zur (bloßen) Zahlungsverzögerung hinzutreten. Das Berufungsgericht hatte dementsprechend irrtümlich die Kenntnis der Beklagten vom Gläubigerbenachteiligungsvorsatz angenommen.

Keine Wissenszurechnung zwischen den beteiligten Behörden, weil die Bundeskasse nur eine untergeordnete Hilfstätigkeit ausführt

Für die Eintreibung der Luftsicherheitsgebühren war ein mehrstufiger Prozess vorgesehen, an dem mehrere Behörden beteiligt waren. Wenn das Luftfahrtunternehmen seine Gebühren nicht rechtzeitig zahlte, schickte die zuständige Bundespolizeidirektion eine Mahnung. Dies war der erste Schritt, um das Unternehmen zur Zahlung zu bewegen. Blieb die Mahnung erfolglos, übernahm die Bundeskasse den Fall und versuchte, die ausstehenden Gebühren einzutreiben. Hatte auch die Bundeskasse keinen Erfolg, schritt erneut die Bundespolizeidirektion ein. Sie ordnete dann die Vollstreckung an und leitete den Fall an das Hauptzollamt weiter.

Etwaiges Wissen der Bundeskasse betreffend eine Zahlungsunfähigkeit könne aber nicht bei der bloßen Entgegennahme von Geldern zugerechnet werden. Schließlich sei ihre Tätigkeit als Zahlstelle als untergeordnete Hilfstätigkeit einzuordnen, die sich in der Entgegennahme und Verbuchung von Zahlungen erschöpfe. Für die ordnungsgemäße Erfüllung sei das sonstige Zahlungsverhalten der Schuldnerin ohne Bedeutung gewesen, sodass im Rechtsverkehr nicht berechtigterweise davon ausgegangen werden könne, dass eine Weitergabe dieses Wissens im Rahmen der Wissensorganisation erfolge.

Die Entscheidung konkretisiert die Maßstäbe aus der Neuausrichtung der Rechtsprechung aus dem Jahr 2021

Mit dieser Entscheidung nimmt der BGH eine weitere Konkretisierung der Neuausrichtung der Vorsatzanfechtung vor. Klar ist, dass Insolvenzverwalter nun einen deutlich erhöhten Aufwand betreiben müssen, um die nach diesen Grundsätzen erforderliche Deckungslücke darzulegen und nachzuweisen. Unklar ist jedoch, wie groß die Deckungslücke sein muss. Während die Deckungslücke zur Feststellung der Zahlungsunfähigkeit nach § 17 InsO bei 10 % liegt, hängt dies für die Feststellung des Gläubigerbenachteiligungsvorsatzes nun von der Prognose ab, ob die Verbindlichkeiten künftig noch vollständig befriedigt werden können. Damit wohnt dem Prognoseelement eine gewisse (Rechts-)Unsicherheit inne.

* Gemeint sind Personen jeder Geschlechtsidentität. Um der leichteren Lesbarkeit willen wird im Beitrag die grammatikalisch männliche Form verwendet.

Tags: Deckungslücke Gläubigerbenachteiligungsvorsatz Liquidität Restrukturierung und Insolvenz

Alexandra Schluck-Amend

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2. September 2024

Alexandra Schluck-Amend und David BotlerSEITE DRUCKENSEITE SCHICKEN

Geld zurück trotz erbrachter Leistung wegen zu hoher Deckungslücke des Schuldners. Aber wann?

Wieder einmal hat der BGH seine Rechtsprechung zur Vorsatzanfechtung nach § 133 InsO in seiner Entscheidung von April 2024 (BGH, Urteil v. 18. April 2024 – IX ZR 239/22) weiter ausdifferenziert. Die Kernfrage des Rückzahlungsbegehrens des Insolvenzverwalters* lautete wie so oft: Hat der Schuldner mit dem Vorsatz gehandelt, seine Gläubiger zu benachteiligen?

In diesem Beitrag geben wir Ihnen die Hintergrundinformationen und erklären, was es nach der neuesten Rechtsprechung in Bezug auf eine bestehende Deckungslücke bezüglich der Liquidität zu beachten gibt.

Insolvenzverwalter verlangt Gebührenzahlung trotz erbrachter Leistung zurück (BGH, Urteil vom 18. April 2024 – IX ZR 239/22)

In dem BGH-Urteil ging es um ein Luftfahrtunternehmen in schweren finanziellen Turbulenzen, welches die Eröffnung des Insolvenzverfahrens beantragte. Nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens im Jahr 2016 wollte sich der Insolvenzverwalter nun die für August bis November 2014 gezahlten Luftsicherheitsgebühren von der Bundesrepublik wieder im Wege der Vorsatzanfechtung nach § 133 InsO „zurückholen“.

Hintergrund dieser Zahlungen war, dass bei jedem Flug Passagiere und ihr Gepäck von Bundespolizeibeamten durchsucht werden mussten, wofür nach dem Luftsicherheitsgesetz Gebühren erhoben werden. Die Schuldnerin leistete die Zahlungen trotz Kenntnis ihrer eingetretenen Zahlungsunfähigkeit. Zudem hatte sie Schulden in einer beträchtlichen Höhe im sechsstelligen Bereich.

Kein Gläubigerbenachteiligungsvorsatz allein bei erkannter Zahlungsunfähigkeit

Den Anspruch lehnte der BGH jedoch mangels Gläubigerbenachteiligungsvorsatzes ab. Zum einen, weil der Schluss von der erkannten Zahlungsunfähigkeit auf den Gläubigerbenachteiligungsvorsatz nicht (mehr) zulässig ist. Bis zu seiner Entscheidung im Mai 2021 (BGH, Urteil v. 6. Mai 2021 – IX ZR 72/20) ließ der BGH noch den Rückschluss von der erkannten Zahlungsunfähigkeit auf den Gläubigerbenachteiligungsvorsatz ausreichen.

Seit Mai 2021 ist dieser Rückschluss jedoch nicht mehr zulässig. Maßgeblich kommt es darauf an, ob der Schuldner wusste oder jedenfalls billigend in Kauf nahm, seine anderen Gläubiger auch zu einem späteren Zeitpunkt nicht vollständig befriedigen zu können. Dafür müssen nach dem BGH nunmehr weitere Umstände hinzutreten als die bloß erkannte Zahlungsunfähigkeit. Diese Umstände müssen mit hinreichender Gewissheit darauf schließen lassen, dass für den Schuldner keine realistische Aussicht bestand, dass seine Gläubiger noch vollständig ihr Geld wieder zurückerhalten werden.

Eine erhebliche Deckungslücke kann allerdings die Annahme des Gläubigerbenachteiligungsvorsatzes rechtfertigen

Als solcher hinzutretender Umstand zur Feststellung des Gläubigerbenachteiligungsvorsatzes kommt aber eine erhebliche Deckungslücke in Frage. Das heißt, die Lücke zwischen liquidem Vermögen und den Schulden kann bei der Frage des Gläubigerbenachteiligungsvorsatzes herangezogen werden. Dafür muss allerdings die Deckungslücke ein bestimmtes Ausmaß erreichen, das eine vollständige Begleichung aller Verbindlichkeiten nicht erwarten lässt. Anhand der festgestellten Deckungslücke ist also die Frage zu stellen, ob eine realistische Chance bestand, dass die Verbindlichkeiten zukünftig voll befriedigt werden können.

Für die Feststellung der Höhe der Deckungslücke bedarf es nach dem BGH der Erstellung einer Liquiditätsbilanz. Dementsprechend hätte der Insolvenzverwalter nach den Grundsätzen zur Feststellung der Zahlungsunfähigkeit anhand einer Liquiditätsbilanz, den Verbindlichkeiten das liquide Vermögen des Schuldners gegenüberstellen müssen, um die Deckungslücke festzustellen. Wie groß die Deckungslücke sein muss, lässt sich dem Urteil nicht genau entnehmen. Jedenfalls aber bedarf es auf dieser Grundlage einer Prognose, wie sich die Befriedigungsaussichten darstellen. Dabei ist laut BGH

die bei optimistischer Betrachtung erwartbare Entwicklung der Vermögenslage in den Blick zu nehmen und zu berücksichtigen, dass insbesondere Gläubiger hoher Forderungen nicht selten zu Zugeständnissen bereit sind.

Um den Vortrag des Insolvenzverwalters in einem künftigen Fall nachprüfen zu können, könnte der Anfechtungsgegner verlangen, dass ihm der Verwalter Einsicht in die Geschäftsunterlagen gewährt. Insgesamt stellt dieser Ansatz der Deckungslücke und des Prognoseelements ein durch diese Entscheidung eingeführtes, grundlegendes Novum dar.

Das Vorliegen beträchtlicher Verbindlichkeiten allein reicht für einen Gläubigerbenachteiligungsvorsatz (grundsätzlich) nicht aus

Allein auf bestehende Schulden zu verweisen, reicht nach dem BGH grundsätzlich nicht aus, um einen Gläubigerbenachteiligungsvorsatz anzunehmen. Etwas anderes soll dann gelten, wenn in Anbetracht der Höhe der Verbindlichkeiten selbst bei optimistischer Betrachtung ohne jeden Zweifel klar ist, dass diese nicht beglichen werden können. Insbesondere etwa, weil die Höhe der Verbindlichkeiten zu einem wirtschaftlichen Zusammenbruch des Schuldners führen würde. Das konnte jedoch nicht festgestellt werden.

Sowohl bei den Anforderungen an die Höhe der Verbindlichkeiten als auch bei dem Erfordernis der Liquiditätsbilanz und einer entsprechenden Befriedigungsprognose handelt es sich letztlich um eine Fortsetzung und Konkretisierung der strengeren Mai-2021-Rechtsprechung für kongruente Deckungen. Würde es ausreichen, dass man bloß auf die nicht gezahlten Verbindlichkeiten abstellt, die zur Annahme der Zahlungseinstellung geführt haben, dann würde letztlich wieder nur die Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit ausreichen. Dann aber wäre der Schluss von der Zahlungsunfähigkeit auf den Gläubigerbenachteiligungsvorsatz wieder durch die Hintertür eingeführt. Dementsprechend muss bei alleiniger Betrachtung von Verbindlichkeiten offensichtlich sein, dass das Vermögen nicht zur künftigen Befriedigung der Gläubiger ausreichen wird. Alternativ muss in aufwendiger Weise die angesprochene Liquiditätsbilanz aufgestellt und abgeschätzt werden.

Berufungsgericht hat die Vermutung einer Kenntnis des Gläubigerbenachteiligungsvorsatzes nach § 133 Abs. 1 S. 2 InsO fehlerhaft angenommen

Nach § 133 Abs. 1 S. 2 InsO wird vermutet, dass der Gläubiger den Benachteiligungsvorsatz des Schuldners kannte, wenn er wusste, dass die Zahlungsunfähigkeit des Schuldners drohte und dass die Rechtshandlung die Gläubiger benachteiligte. Allerdings fehlte es vorliegend an der Feststellung der Kenntnis des Gläubigers hinsichtlich der Zahlungsunfähigkeit. Zahlungsverzögerungen reichen nach dem BGH alleine nicht aus. Vielmehr müssen Umstände hinzutreten, die dafür sprechen, dass die Zahlungsverzögerung auf der fehlenden Liquidität beruht. So kann dies der Fall sein, wenn Forderungen nicht beglichen werden, die zur Aufrechterhaltung des Betriebes erforderlich sind. Maßstab ist hierbei, dass die zusätzlichen Umstände ein Gewicht erreichen, das der Erklärung des Schuldners entspricht, aus Mangel an liquiden Mitteln nicht zahlen zu können. Das Berufungsgericht konnte sich zwar im Rahmen der schuldnerseits erkannten Zahlungsunfähigkeit auf eine Erklärung gegenüber der Flugsicherungsbehörde stützen und hieraus die Zahlungseinstellung ableiten. Wegen der Luftsicherheitsgebührenforderung gab es jedoch keine derartige Feststellung: Es fehlte folglich aus Sicht der Beklagten an Umständen, die zusätzlich zur (bloßen) Zahlungsverzögerung hinzutreten. Das Berufungsgericht hatte dementsprechend irrtümlich die Kenntnis der Beklagten vom Gläubigerbenachteiligungsvorsatz angenommen.

Keine Wissenszurechnung zwischen den beteiligten Behörden, weil die Bundeskasse nur eine untergeordnete Hilfstätigkeit ausführt

Für die Eintreibung der Luftsicherheitsgebühren war ein mehrstufiger Prozess vorgesehen, an dem mehrere Behörden beteiligt waren. Wenn das Luftfahrtunternehmen seine Gebühren nicht rechtzeitig zahlte, schickte die zuständige Bundespolizeidirektion eine Mahnung. Dies war der erste Schritt, um das Unternehmen zur Zahlung zu bewegen. Blieb die Mahnung erfolglos, übernahm die Bundeskasse den Fall und versuchte, die ausstehenden Gebühren einzutreiben. Hatte auch die Bundeskasse keinen Erfolg, schritt erneut die Bundespolizeidirektion ein. Sie ordnete dann die Vollstreckung an und leitete den Fall an das Hauptzollamt weiter.

Etwaiges Wissen der Bundeskasse betreffend eine Zahlungsunfähigkeit könne aber nicht bei der bloßen Entgegennahme von Geldern zugerechnet werden. Schließlich sei ihre Tätigkeit als Zahlstelle als untergeordnete Hilfstätigkeit einzuordnen, die sich in der Entgegennahme und Verbuchung von Zahlungen erschöpfe. Für die ordnungsgemäße Erfüllung sei das sonstige Zahlungsverhalten der Schuldnerin ohne Bedeutung gewesen, sodass im Rechtsverkehr nicht berechtigterweise davon ausgegangen werden könne, dass eine Weitergabe dieses Wissens im Rahmen der Wissensorganisation erfolge.

Die Entscheidung konkretisiert die Maßstäbe aus der Neuausrichtung der Rechtsprechung aus dem Jahr 2021

Mit dieser Entscheidung nimmt der BGH eine weitere Konkretisierung der Neuausrichtung der Vorsatzanfechtung vor. Klar ist, dass Insolvenzverwalter nun einen deutlich erhöhten Aufwand betreiben müssen, um die nach diesen Grundsätzen erforderliche Deckungslücke darzulegen und nachzuweisen. Unklar ist jedoch, wie groß die Deckungslücke sein muss. Während die Deckungslücke zur Feststellung der Zahlungsunfähigkeit nach § 17 InsO bei 10 % liegt, hängt dies für die Feststellung des Gläubigerbenachteiligungsvorsatzes nun von der Prognose ab, ob die Verbindlichkeiten künftig noch vollständig befriedigt werden können. Damit wohnt dem Prognoseelement eine gewisse (Rechts-)Unsicherheit inne.